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Sonderdruck aus test 9/95 Zahnspangen

Ausdauer
wird belohnt

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Nina, 8 Jahre.
Durch langes Nuckeln ist
vorne eine Lücke entstanden.
Nina nach drei Jahren Behandlung
mit einer festen Spange
am Oberkiefer
Nach sieben Jahren Behandlung
hat Nina ein normales und schönes
Gebiß. Gesamtkosten: etwa 9.000 DM.

Ein perfektes Gebiß schenkt die Natur nur wenigen. Doch schiefe Zähne
sind kein Schicksal. Sogar Erwachsenen kann noch geholfen werden.
Besser ist es jedoch, schon im Kindermund Ordnung zu schaffen. Wir in-
formieren über die aktuellen Möglichkeiten, Zahn- und Kieferfehlstellungen
zu beheben. Auch Eltern sind gefordert.


Unsere Zähne sollten im Idealfall mit genügend Platz, aber ohne Lücken, ordentlich in Reih und Glied stehen und stets so angeordnet sein: Die oberen Frontzähne etwas vor den unteren, die sie ein wenig verdecken. Die Seitenzähne müssen in Bruchteilen eines Millimeters exakt aufeinanderpassen und "innig" verzahnt sein.

Mißverhältnisse zwischen Zahn- und Kiefergröße werden heute immer häufiger festgestellt.

Für insgesamt 32 Zähne, die zeitlebens ihre Ursprungsgröße haben, ist unser Kiefer oft nicht gebaut - vor allem im Unterkiefer treten häufig Probleme auf. Zahnfehlstellungen haben etwas mit dem individuellen Platzangebot zu tun, auch mit Vererbung. Es gibt Asymmetrien durch von vornherein fehlende Zähne, und nicht zuletzt führen schlechte Gewohnheiten wie z. B. Bleistiftkauen und Lippensaugen zu einem beeinträchtigten Zahnbild.

Gesunde Zähne ziehen?
Schiefstehende Zähne sind zum Beispiel ein Zeichen von Platzmangel im Kiefer.
Der Fachzahnarzt muß einen Engstand der Frontzähne behandeln. Das führt manchmal dazu, daß Zähne gezogen werden müssen.

Zahnlücken können auch erblich bedingt sein, etwa durch zu schmale seitliche Schneidezähne. Ein zu schmaler Oberkiefer führt zu einem (beidseitigen) "Kreuzbiß": Die oberen und die unteren Seitenzähne treffen nicht regelrecht aufeinander. Die Folgen sind häufig ein gestörtes Wachstum des Unterkiefers und Schwierigkeiten bei einer späteren prothetischen Versorgung.
Vorstehende Schneidezähne, die sich auch bei geschlossenem Mund nicht berühren ("Offener Biß") künden eventuell davon, daß viel zu lange am Daumen gelutscht wurde. Ein "offener Biß" führt manchmal zum Lispeln.

Daß die Zähne von Zivilisationsmenschen meist nicht wie Perlen an einer Schnur aufgereiht sind, kann, muß aber nicht weiter bedenklich sein. Viele leben damit glücklich und zufrieden. Doch oft ist es notwendig, den Biß zu "entschärfen", um Schleimhauteinbisse, Zahnfleischverletzungen oder Gleithindernisse zu vermeiden oder um die Beißfähigkeit zu verbessern. Eine ebenmäßige Zahnreihe läßt sich zu dem leichter pflegen. Sie ist weniger anfällig für Karies. Zahn- und Kieferanomalien können zu Kiefergelenksproblemen führen, zu Kopfschmerzen und Bewegungseinschränkungen.

Doch auch ohne solche Beschwerden: Zähne, die kreuz und quer stehen, sollen - das ist der Hauptgrund - meist schon aus ästhetischen Gründen ordentlich zurück (oder vor) ins Glied treten. Die Initiative Kiefergesundheit, hinter der die deutschen Kieferorthopäden stehen, wirbt mit dem Broschürentitel: "Schöne Zähne - Spiegel Ihrer Persönlichkeit".

Realisieren läßt sich dies freilich nur, wenn kräftig nachgeholfen wird. Denn ein "perfektes Gebiß" hat in unseren Regionen nur etwa jeder zwanzigste Zeitgenosse. Leichtere Zahnfehlstellungen behandelt der Allgemeinzahnarzt. Allerdings entpuppt sich manche vermeintlich leichte Behandlung im weiteren Verlauf als schwierig: Muß mehr gerichtet werden, ist der Kieferorthopäde gefordert. Oft geht es darum, das Wachstum unterentwickelter Kieferteile anzuregen oder Knochenteile, die sich zu stark entwickelt haben, in ihrer Wachstumsentwicklung zu hemmen.

Kieferorthopädisch behandelt werden zwischen 40 und 60 Prozent aller Jugendlichen. In kieferorthopädischer Behandlung sind hierzulande mehr als eine Million Menschen. Jedes Jahr kommen über 350 000 Patienten neu in die kieferorthopädische Praxis. Etwa die Hälfte hat so gravierende Fehlstellungen, daß sie mit festsitzenden Apparaturen korrigiert werden müssen. Die meisten Patienten sind zwischen 9 und 13 Jahren alt.

Veränderungen der Zahnstellung erfolgen zwar meist im Kindesalter, aber es ist nie zu spät, der Natur nachzuhelfen oder die Folgen schlechter Angewohnheiten zu korrigieren.

Früh vorsorgen und vorbeugen
Durch eine Frühbebandlung kann man sich jedoch häufig spätere umfangreichere, manchmal chirurgische Maßnahmen ersparen. Behandlungsbedürftige Kieferanomalien sind in den meisten Fällen bereits im Milchgebiß sichtbar. Der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden bedauert, daß viele Patienten erst dann zum Kieferorthopäden überwiesen werden, wenn sich eine Anomalie schon recht deutlich ausgeprägt hat.

Auch könnte vielfach vorgesorgt werden:

  • Durch frühzeitiges Abgewöhnen des Daumenlutschens wären spätere, oft kosten- und zeitaufwendige Prozeduren nicht nötig.
  • Vermieden werden muß die Zerstörung oder der Verlust von Milchzähnen:

Dies ist ein häufiger Grund für Zahnfehlstellungen. Denn die Milchzähne sind Platzhalter für die bleibenden Zähne. Ist einer oder sind gar mehrere nicht (mehr) vorhanden, gerät das gesamte System der endgültigen Platzzuteilung ins Wanken: Nachbarzähne wandern in die Lücke, oder die falschen "Lückenbüßer" kippen - und nehmen den nachwachsenden Zähnen den Platz.

Früher noch durchweg Grund für Hänseleien unter Kindern, werden herausnehmbare Zahnspangen und nicht herausnehmbare, festsitzende Geräte (Brackets) heute akzeptiert. Wir haben dazu Kinder befragt. Doch die anfängliche Begeisterung läßt rasch nach: "Am Anfang war es toll und neu, aber dann nicht mehr", sagt ein Junge. Ein Wunder ist das nicht. Denn Zahnspangen müssen nicht nur konsequent und viele Stunden am Tage Monat für Monat und Jahr um Jahr getragen werden. Die Zahnkorrektur, der stetige Druck, mit dem Zähne in die richtige Richtung gedrängt werden, ist zum Teil auch unangenehm.

Der Behandlungserfolg ist in erster Linie von der guten Mitarbeit des Patienten abhängig. Um ihn zu erreichen, sind oft Tragezeiten von 16 Stunden pro Tag erforderlich. Wird diese Zeit zum Beispiel wegen Uneinsichtigkeit oder manchmal auftretenden Schmerzen halbiert, ist das gewünschte Ergebnis nicht zu erreichen. Es können sogar Schäden auftreten. Denn Zähne haben die Tendenz, in ihre alte Stellung zurückzukehren. Ständiges Hin und Her kann zu Zahnwurzelschädigungen führen.

Die Motivation muß bei einer langfristigen Behandlung immer wieder aufs neue gestärkt werden. Hier sollte es ein Zusammenspiel von Eltern, Kind und Arzt geben, um mehr oder minder lange Pausen beim Tragen zu vermeiden. Denn Pausen verschaffen nur scheinbar Erleichterung. Sie verlängern in der Regel die Tragedauer von ansonsten durchschnittlich zwei bis vier Jahren sogar noch überproportional.

RonaldRonaldRonald Ronald, 9 Jahre,
mit starkem Überbiß und
zahlreichen Zahnfehlstellungen
am Ober- und Unterkiefer:
der Oberkiefer
vor Behandlungsbeginn.
RonaldRonaldRonald Nach Behandlung über 5 Jahre
stehen die meisten Zähne in
Reih und Glied. Der Überbiß
ist beseitigt, die Therapie aber
noch nicht ganz beendet.


Die Aufgaben der Eltern
Viel Ausdauer, Konsequenz, Mühe und Überzeugungskraft sind also notwendig - auch bei den Eltern, denen von ihren Kindern nicht selten etwas vorgespielt wird. Ein Neunjähriger: "Ich nehme die Spange immer erst im Hochbett raus, da kommen meine Eltern nicht mehr hin."

Pädagogischer Druck führt kaum zum Erfolg, hält Kinder nicht bei der Spange. Beliebte Drohungen wie Taschengeldkürzungen oder "erzieherische" Sprüche ("Wir erzählen unserem Kind, wie häßlich es aussieht, wenn die Zähne nicht gerichtet werden"; "Manchmal muß man eben laut werden"; "Wir erklären, daß im Fall des Nichttragens die Kosten nicht zurückerstattet werden") wirken allenfalls kurzfristig.

Kinder, die bei der Spange bleiben sollen, wollen sachlich überzeugt werden, weiß Dr. Erika Reihlen vom Zahnärztlichen Dienst in Berlin-Steglitz. Es gibt spezielle Motivationsprogramme. Nur in Berlin werden im übrigen alle Eltern von Kindern ab dem dritten Lebensjahr zur Beratung und zahnärztlichen Untersuchung angeschrieben. Etwa 30 Prozent nutzen dies. Der Zahnärztliche Dienst geht auch in Kindergärten.

Gestärkt werden muß die Eigenverantwortung des Kindes für die kieferorthopädische Behandlung. Die Eltern sollten dazu die gemeinsamen Beratungstermine mit dem Kind beim Zahnarzt unbedingt wahrnehmen. Aber der junge Patient sollte auch mal mit dem Zahnarzt/Kieferorthopäden alleine gelassen werden.

Festsitzende Behandlungsgeräte sind, was viele vielleicht zunächst vermuten, keineswegs eine bequeme Alternative oder hilfreich gegen Nachlässigkeit und mangelnde Motivation. Mit einer Zwangsbehandlung würde nichts gewonnen: Oft ist der Behandlungserfolg von im Mund eingehängten Gummizügen oder vom Tragen einer Außenspange abhängig. Und ohne eine ausgiebige Mundhygiene, so heißt es, sei eine kieferorthopädische Behandlung mit festsitzendem Gerät "undenkbar".

 

Eltern sollten achten auf

° das Stillen ihrer Säuglinge. Es bedeutet Vorsorge durch Kräftigung der Kaumuskulatur.

° das Daumenlutschen. Es kann einen "offenen Biß" verursachen. Geben Sie dem
daumenlutschen den Säugling besser einen Beruhigungssauger. Das Nuckeln spätestens mit
drei Jahren beenden.

° weitere schädliche Gewohnheiten wie: Beißen oder Saugen an den Lippen; Fehlfunktionen der
Zunge oder falsche Schluckgewohnheiten führen ebenfalls zu Zahnfehlstellungen.

° die Gebißentwicklung: sie sollte nicht nur vom Kinderarzt kontrolliert werden. Nur ausgeprägte
Fehlstellungen sind auch vom Laien gut zu erkennen.

° den vorzeitigen Verlust eines Milchbackenzahnes. Schon ein einziger Verlust kann eine
Zahnstellungsanomalie auslösen: Die Seitenzähne rutschen nach vorn, verengen den Platz für
bleibende Zähne;
das Milchgebiß muß den Platz für die bleibenden Zähne erhalten.

° Schäden an den Milchzähnen: Milchzähne auf jeden Fall sanieren.

° den Zahnerhalt. Da hilft nur konsequente und systematische Zahnreinigung von klein an sowie
eine Fluoridierung der Zähne und eine "zahngesunde Ernährung".

° Untersuchungstermine: Schon Kleinkinder sollten ihre Eltern zum Zahnarzt begleiten und kariespro-
phylaktisch betreut werden: Sofern der Zahnarzt Fehlentwicklungen des Gebisses beobachtet, können sie
schon früh an einen Kieferorthopäden überwiesen werden.

° Beschädigung oder Verlust der Spange: Bei "Gewohnheitstätern" zahlt die Kasse nicht mehr.



Welche Spange für wen ?
Noch werden mehr herausnehmbare Spangen verordnet, doch es gibt eine Tendenz zu festen Spangen: Diese technisch aufwendigeren Verfahren führen rascher zum Erfolg, das Ergebnis ist präziser bestimmbar. Allerdings stellen sie auch besondere Anforderungen an den Patienten.

Herausnehmbare Einzelkieferapparaturen ("aktive Platten") haben ihre Vorteile bei der Behandlung Jugendlicher während des Wechsels vom Milch- zum bleibenden Gebiß, wenn keine bleibenden Zähne entfernt werden müssen.teile der herausnehmbaren Systeme sind u. a., daß Schäden an den Zähnen meistens vermieden werden und daß die Reinigung einfacher ist.

Herausnehmbare Spange zur
Zahnkorrektur.
Über die Spangenart entscheiden
die medizinische Indikation und
meist auch die Erfahrung des
Behandlers.

Ein Nachteil kann sein, daß Stellungsänderungen der Wurzel kaum erreichbar oder Zähne nicht achsengerecht in Lücken "hineinzuschieben" sind. Das Bewegen von Zähnen entlang ihrer Längsachse in den Knochen ist mit "aktiven" Platten nicht möglich.

Diese Aufgabenstellung ergibt sich häufig bei "mittelalterlichen" Erwachsenen. Insofern ist es unverständlich, daß gerade sie oft noch mit herausnehmbaren Spangen behandelt werden.

Brackets und Bögen
Festsitzende Apparaturen gibt es in den unterschiedlichsten Formen, zum Teil als Multiband oder Multibrackettechnik bezeichnet. Optisch oft recht auffällig, ziehen sie eine vorübergehende Veränderung der Bakterienflora in der Mundhöhle nach sich, der durch vermehrtes Zähneputzen begegnet werden muß.

Bis auf einige Ausnahmen haben sich heute als Alternative zu den Bändern, die den ganzen Zahn umfassen, sogenannte Brackets durchgesetzt. Meist aus Stahl (auch im Miniformat), werden sie auf die Zähne geklebt und sind optisch etwas weniger auffällig als Bänder. Passend zu zahnfarbenen Brackets gibt es auch zahnfarbene oder durchsichtige Bögen, die jedoch nicht bei jedem Patienten angewendet werden können. Einige Bracketkleber setzen zur Verbesserung der Mundhygiene Fluoride frei.
Brackets sind Hilfsmittel. Bewegt werden die Zähne durch Druck und Zugfedern, federnde Drähte, elastische Gummizüge etc.

Zahnfarbene Kunststoffbrackets kosten etwas mehr und Keramikbrackets ein Mehrfaches von Stahlbrackets. Die Kosten werden von den Kassen nicht übernommen. Brackets können - völlig unsichtbar - auch auf die Innenseite der Zähne geklebt werden, ein in Hollywood entwickeltes Verfahren, dessen Mehrkosten von der Kasse jedoch ebenfalls nicht bezahlt werden.

Stahl gilt als optimales Material. Kunststoffbrackets verformen sich eher, Keramikbrackets, optisch unübertroffen, sind recht spröde und können brechen, so daß neue Kosten entstehen.

Alle Verfahren haben Vor- und Nachteile, die mit dem Kieferorthopäden zu besprechen sind bzw. seine Entscheidung beeinflussen.
Zahnmedizinisch häufig äußerst sinnvoll - zum Beispiel beim Verschieben aller Zähne des Oberkiefers nach hinten -, aber wenig beliebt, sind Außenspangen ("Headgear", siehe Foto).

Erwachsene mit Zahnspange
und Außenspange (Headgear)
bei Fehlstellung der Kiefer
zueinander.
Für eine Behandlung ist es
nie zu spät.

Bei ihnen genügt es allerdings meist, sie zu Hause zu tragen. Diese Spangen, die die Gegenkraft am Kopf abstützen, entwickeln die größten und gleichmäßigsten Kräfte, und es gibt zu ihnen kaum eine Alternative: Dazu zählt Zähneziehen oder eine spätere kieferchirurgische Korrektur im Erwachsenenalter. Wichtig ist es, falls eine Außenspange notwendig werden sollte, daß zumindest alle Familienmitglieder vorbehaltlos hinter diesem Verfahren stehen.

Zahnspangen, ermöglichen jedenfalls optisch außerordentlich ansprechende Ergebnisse. Konsequenz ist allerdings angesagt. Damit später, zum Beispiel beim erwachsenen Patienten, die Zähne nicht mehr auf Wanderschaft gehen - eine Gefahr insbesondere bei Engständen -, muß immer mal wieder Druck ausgeübt werden: mit einer Haltespange, die jedoch nur nachts zu tragen ist; für den Bereich der Seitenzähne mindestens mehrere Jahre, für den der Frontzähne am besten ein Leben lang.

Sehr wichtig: Die richtige Zahnpflege
°
Kräftiges Spülen mit Wasser oder einer
Mundspüllösung nach jeder Mahlzeit, zumindest
Entfernen grober Speisereste zweimal täglich

° Der Zahnfleischrand sowie die Zahnflächen
unter- und oberhalb des Geräts sind durch beson-
ders sorgfältige Reinigung zu pflegen und zu
schützen

°
Zahnseide und kleine lnterdentalraumzahn-
bürsten erreichen versteckte Stellen und die Zahn-
zwischenräume Das beugt einer Zahnfleisch-
entzündung und Paradontitis vor (s.a. test 1/95).

°
Häufig wird es nötig sein, daß Patienten
in regelmäßigen Abständen von einer Prophy-
laxehelferin die Zähne geputzt und fluoridiert
bekommen.

°
Herausnehmbare Geräte werden am besten un-
ter laufendem Wasser mit der Zahnbürste gereinigt
- eventuell auch mal mit Reinigungstabletten.

Herausgeber STIFTUNG WARENTEST, Lützowplatz 11-13, 10785 Berlin